Pendlerin zwischen den Welten

IMG_4324Namibia. Die Künstlerin Imke Rust lebt in zwei Welten, denn sie pendelt zwischen Windhoek und Berlin. Dabei entstehen Gemälde und Installationen, die den Betrachter aufrütteln und nachdenklich machen. Ein Atelierbesuch.

Berlin Pankow, ein grauer Häuserblock. Innen endlose Gänge. Leere – DDR-Tristesse der frühen 80er Jahre. Der Aufzug rattert in den 5. Stock. Dieselben Gänge, Tür reiht sich an Tür. Hinter einer verbirgt sich das Atelier von Imke Rust. Raum 522: Wer hineingeht, betritt eine andere Welt. An den Wänden hängen farbenfrohe Gemälde, die sich mit Afrika, seinen Menschen, seiner Geschichte seiner aktuellen Situation und seiner Tierwelt auseinander setzen. Immer wieder taucht in Rusts Bildern der Umriss des Kontinents auf.

Die Natur und insbesondere das Verhältnis zwischen Tier und Mensch ist eines der großen Themen ihrer Kunst. „Es geht für mich immer um Lebendiges und um Beziehungen“, erklärt Imke Rust. Kunst bedeutet für die Namibianerin eindeutig mehr als nur das schöne Bild an der Wand. Kunst ist für sie vielmehr ein Prozess, um Dinge und Emotionen zu verarbeiten – auch die negativen. Deswegen hat sie sich auch schon mit der deutschen Kolonialvergangenheit Namibias auseinandergesetzt. Entstanden ist dabei ein bedrückender Bilder-Kanon, der die Narben im Verhältnis beider Länder offen legt.

Diese Gegensätze von Macht und Verwundbarkeit aufzuzeigen, sind ein weiterer Schwerpunkt ihres Schaffens – so wie auf dem Bild hinter ihrem Schreibtisch: Eine Hyäne weicht ängstlich vor einer dunkel gekleideten, gesichtslosen Gestalt mit Hut zurück. Ist es der Tod, vor dem das in der Tierwelt gefürchtete und vom Menschen wegen seiner Kaltblütigkeit und Hässlichkeit verabscheute Tier flieht? Der gesichtslose Schädel unter dem Hut hat die Konturen Afrikas und überstrahlt mit seinem klaren Weiß die Szenerie. Dieses klare, strahlende Weiß zieht sich fast durch alle ihre Bilder. „Es soll zeigen, dass ich eine weiße Namibianerin bin“, sagt Imke Rust. Sie schweigt eine Weile, bevor sie weiter spricht. „Und was es bedeutet, als weiße Frau in Namibia zu leben und umgekehrt als weiße Afrikanerin in Deutschland zu sein.“ Nachdenklich blickt sie aus dem Fenster.

Und warum ist sie in Deutschland? Imke Rust lacht. „Der Liebe wegen“, sagt sie. Die 39-Jährige ist mit einem deutschen Filmemacher verheiratet. Im März 2006 war sie durch ein Kunststipendium des Bremer Abgeordnetenhauses für drei Monate zu einem ersten künstlerischen Aufenthalt nach Deutschland gekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon zwei Mal die Standard Bank Biennale, damals Namibias wichtigsten Kunstpreis, gewonnen. Im Herbst 2006 ist sie schon wieder in Berlin. Diesmal als Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Seitdem lässt die Stadt sie nicht mehr los. Sie braucht die Offenheit, Inspiration, aber auch die Anonymität Berlins, um sich künstlerisch mit ihrer Heimat und Identität als  weiße, deutschsprachige Afrikanerin auseinanderzusetzen  „Hier in Berlin ist mir erst bewusst geworden, wie stark namibisch ich bin“, sagt Imke Rust.

Ihre Familie lebt in fünfter Generation in dem südwestafrikanischen Land. Geboren wurde sie in Windhoek, wuchs später aber in Swakopmund auf. „Vielleicht mag ich die Wüste deshalb so“, sagt sie. Gleichzeitig engt ihre Heimat sie aber auch ein. „In Namibia eilt einem die Identität voraus und wird einem wie ein Stempel aufgedrückt. Das hemmt meine Kreativität.“ So hat Imke Rust erst in Berlin angefangen, die Tiere ihrer Heimat zu malen. Warm und herzlich ist ihr Lachen, als sie davon erzählt. „Die Distanz zu Namibia hat es mir erst ermöglicht, die Stereotypen, die mich dort gefesselt haben, abzulegen“, sagt Imke Rust.

Denn in ihrer Heimat ist die Künstlerin mittlerweile bekannt und nicht unumstritten, da sie immer wieder auch unbequeme Themen anspricht. So wie in „Coat of arms“. In dem Bild, das neben der Tür in ihrem Atelier hängt, verarbeitet Imke Rust die politische und gesellschaftliche Situation in Namibia. Auf dem Gemälde stehen sich – wie im namibischen Staatswappen – zwei Oryxantilopen gegenüber. Nur sind die Tiere, die Imke Rust gemalt hat, nicht kraftstrotzend, stark und stolz, sondern abgemagert und schmerzverkrümmt. Wie in so vielen ihrer Bilder haben ihre kahlen, weißen Schädel die Form des afrikanischen Kontinents. Im Kontrast dazu steht der prächtige goldene Hintergrund, der die pompöse Umzäunung des neuen State House in Windhoek darstellt. „Namibia ist ein starkes Land und wir können stolz auf das Erreichte sein, doch im Moment steht alles auf der Kippe und die Politik ist dabei, alles zu vermasseln“, sagt Imke Rust. Vor allem die steigende Kriminalität und die zunehmende Wilderei machen die Künstlerin nachdenklich und traurig. „Der schöne Schein und die ‚heile Welt‘ des State House überdecken die Probleme“, erklärt Imke Rust ihre Sicht auf Namibia.

2012 ist sie in der Heimat mit ihrer Wahrnehmung der Dinge schon einmal angeeckt, als sie in ihrer Land-Art-Multimedia-Schau auf die Umweltzerstörung in Namibia durch die steigende Zahl von Bergbau- und Industrie-Aktivitäten – vor allem in der Uranförderung – hingewiesen hat. Damals hat die Swakopmunder Kunstvereinigung die in der Woermann-Galerie geplante Ausstellung kurzfristig abgesagt. Die Debatte sei „politisch belastet“, hieß es.

Doch Imke Rust hat sich davon nicht beirren lassen. Mit Eigeninitiative und der Unterstützung von Freunden war die Schau dann doch zu sehen – und wurde ein großer Erfolg. Im Februar 2015 will Imke Rust wieder in Namibia ausstellen. Diesmal in der National Gallery in Windhoek. Schon jetzt überlegt sie, welche der in Berlin entstanden Bilder in der Heimat gezeigt werden sollen. Wird ihre Interpretation der namibischen Wappentiere  dabei sein? Lange betrachtet sie das Bild mit den schmerzverzerrten Oryxantilopen. „Ich bin mir noch nicht sicher“, sagt Imke Rust nachdenklich.

Veröffentlicht in „Afrika Post“ und „Namibia Magazin“

Mehr zu Imke Rust im Internet unter:

www.imkerust.com

Infos zum gemeinsamen Dokumentarfilm-Projekt mit ihrem Mann über die Umweltzerstörungen in Namibia unter: http://aninfinitescream.wordpress.com

 

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