Äthiopien. Er regierte Äthiopien bis zu seiner Ermordung durch Mengistu 1974 über 40 Jahre lang – Haile Selassie, der letzte Kaiser von Afrika. Der absolutistische Herrscher führte sein Land zwar vom Mittelalter in die Moderne, verlor dann aber den Kontakt zur politischen Realität, als er den Zeitpunkt verpasste, sein Land auf friedlichem Wege in die Demokratie zu führen.
Trotzdem erfuhr Selassie lange weltweite Anerkennung als Staatsmann. 1936 vom Time Magazin zum „Man of the year“ gekürt, widmete ihm Bob Marley mit „Black Man Redemption“ sogar einen Song. Und von vielen Afrikanern wurde er als „Vater Afrikas“ verehrt, weil die von ihm initiierte Gründung der Organisation für afrikanische Einheit, Vorgänger der Afrikanischen Union, dem Kontinent im Dekolonisierungsprozess Stimme, Gewicht und Selbstbewusstsein gab.
Asfa-Wossen Asserate hat jetzt eine Biographie über seinen Großonkel vorgelegt, die nicht nur das Leben Selassies nachzeichnet, sondern auch äthiopische Geschichte aus einem persönlichen Blickwinkel schildert. Dabei kommt bei Asserate, der als Mitglied der kaiserlichen Familie Zugang zum Machtzirkel rund um seinen Großonkel hatte, immer wieder der Mensch hinter dem Monarchen zum Vorschein. Etwa wenn er beschreibt, wie er 1973 vom Kaiser bei einem Staatsbesuch in Stuttgart – Asserate hielt sich damals zum Studium in Frankfurt auf – einen 100-Dollar Schein in die Hand gedrückt bekam, um ein Dutzend Flaschen vom Lieblings Haartonikum seines Großonkels zu besorgen. Persönliche Erinnerungen wie diese – ganz bewusst in der Ich-Perspektive erzählt – sind es, die das Buch äußerst lesenswert machen.
Gleichzeitig sind sie aber auch seine Schwachstelle, denn Asserate übt nur moderat Kritik am absolutistischen Regierungsstil und der Politik seines Großonkels. Besonders deutlich wird dies bei der großen Hungersnot in Äthiopien (1973). Damals hat der Student Asfa-Wossen Asserate in Deutschland und gegen den Willen Selassies Hilfsgelder für sein Land gesammelt, Kritik am Umgang seines Großonkels mit der Katastrophe, während der er noch 200.000 Tonnen Getreide exportieren ließ, übt er aber auch nach 40 Jahre nur verhalten.
Veröffentlicht in der „Afrika Post“, 2. April 2014
Asfa Wossen-Asserate, Der letzte Kaiser von Afrika, Propyläen Verlag, März 2014,
416 Seiten, 24,99 Euro, ISBN-13: 978-3549074282