Namibia. Wer auf der Reise durch Namibia auf privaten Gästefarmen Station macht, wird mit einem ganz besonderen Blick auf Land, Leute und den Alltag in Deutschlands ehemaliger Kolonie belohnt.
Die Dornen sind ein Albtraum für jeden Autolack. Wie ein Zahnarztbohrer klingt es, wenn die Zweige am Wagen entlang schleifen. Doch Wilhelm Diekmann verzieht keine Miene. Konzentriert lenkt er den Toyota Landcruiser durch den afrikanischen Busch. Plattgedrücktes Gras vor der Motorhaube lässt den Weg zwischen mannshohen Dornenbüschen nur erahnen.
„Kudu“, sagt der Farmer, bremst und deutet rechts aus dem Fenster. Hinter ihm, auf der Ladefläche sitzen seine Gäste. Köpfe wandern nach rechts, Ferngläser werden angesetzt. Fotoapparate fixieren die Antilopen. Auch die Kudus sind stehengeblieben. Der Bulle trägt sein mächtiges, gedrehtes Gehörn stolz zwischen den großen Ohren. Er lässt seine Beobachter nicht aus den Augen. Ein paar Meter entfernt grast eine Herde Springböcke. Nervös beobachten die Tiere mit dem beige-weißen Fell den Geländewagen. Der Landcruiser setzt sich langsam wieder in Bewegung. Schließlich gibt es auf der 5000 Hektar großen Farm noch Giraffen, Gnus, Zebras, Büffel – und mit etwas Glück sogar auch Leoparden und Geparden in freier Wildbahn zu beobachten.
Täglich fährt Wilhelm Diekmann mit seinen Gästen kreuz und quer über das Farmgelände. Dann erzählt er von der Farmerei und der Rinderzucht in Afrika, der Fauna und Flora am Waterberg, und natürlich auch von seiner bewegten Familiengeschichte. 1908 ist sein Ur-Großvater von einem kleinen Dorf an der Nordseeküste in die damalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika ausgewandert. Am Waterberg, knapp drei Autostunden von Windhoek entfernt, hat er sich als Rinder-Farmer niedergelassen. 103 Jahre später heißt das Land heute Namibia, doch Hamakari wird immer noch von den Diekmanns bewirtschaftet. „Was bedeutet Hamakari“, will Alexandra Emig wissen, ohne das Fernglas von den Augen zu nehmen. Die Frankenthalerin beobachtet Warzenschweine, die sich bei ihrer Futtersuche nicht stören lassen. „Das ist eine lange Geschichte“, sagt der Farmer. „Nach einer Legende der Buschleute ist hier an einem Wasserloch der Herero-Häuptling Katjiponda nach einem Streit durch einen vergifteten Pfeil gestorben. Hamakari bedeutet deshalb sowas wie ,Katjipondas Übermut wurde durch einen giftigen Pfeil bestraft’.“
Wilhelm Diekmann züchtet bis heute Rinder. Daneben gibt es auf Hamakari aber auch ein paar Zimmer für Individual- und Jagd-Touristen. Die Gäste-Bungalows stehen schön kühl im Schatten alter Palmen. Und wer keine Lust auf Safari hat, kann sich in den Garten mit großem Pool zurückziehen. Dort wachsen Orangen und Papayas, dazwischen blühen tropische Pflanzen. Nur einen Pflichttermin gibt es am Tag: abends versammeln sich Gäste und Farmer-Familie immer zum gemeinsamen Essen. Dann gibt es deftige Südwester-Gerichte und – später am Lagerfeuer – Gintonic und spannende Geschichten über das Leben im afrikanischen Busch.
Langsam kämpft sich der Wagen durch die Dornen, bis er mitten in der Savanne vor einem alten Zaun stoppt. „Hier liegen deutsche Soldaten begraben, die bei der Schlacht am Waterberg gefallen sind“, erzählt Wilhlem Diekmann und zeigt auf die alten Grabsteine. Hamakari ist geschichtsträchtiger Boden. Auf dem Gelände fand am 11. August 1904 im Herero-Nama-Krieg die blutige Entscheidungsschlacht statt. Noch heute finden die Diekmanns immer wieder Patronenhülsen im Busch. „Ich möchte euch noch meine Giraffen zeigen. Das sind meine Lieblingstiere“, sagt Diekmann. Doch die haben sich heute gut versteckt. Vor ein paar Jahren hat er wieder ein Paar angesiedelt. Jetzt tummeln sich schon sieben Tiere auf dem Gelände.
Am Horizont leuchten die roten Sandsteine des Waterbergs in der Abendsonne. Der Farmer steuert den Wagen auf einen See zu. „Den Damm haben wir als Reservoir für die Rinder angelegt.“ Jetzt ist der See der ideale Ort, um den Sonnenuntergang zu genießen. Aus einer Kühltasche zaubert Diekmann Bier. „Das ist nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut“, sagt er und nimmt einen Schluck. Windhoek Lager steht auf dem Etikett – noch ein Relikt aus der deutschen Kolonialzeit.
Plötzlich lautes Geschrei: Eine Formation Nilgänse hält auf eine kleine Insel im See zu. Auf dem Fleckchen Land stehen zwei Bäume. „Die kommen jeden Abend zum Schlafen hierher“, erklärt der Farmer. Mit großem Theater lassen sich die Gänse auf den Ästen nieder. Doch in der Sekunde, als der Waterberg die Sonne verschluckt, sind auch die Vögel still. Die Sonne bäumt sich hinter dem Waterberg ein letztes Mal gegen die Dunkelheit auf. Ein paar Minuten lang taucht sie das Plateau in goldrotes Licht. Dann ist es Nacht. (Veröffentlicht am 7. Mai 2011, „Mannheimer Morgen“.)
Tipps und Adressen:
Anreise: Viele Fluggesellschaften bieten direkte Nachtflüge von Deutschland nach Windhoek an.
Einreise: Deutsche Staatsbürger benötigen für die Einreise nach Namibia nur einen gültigen Reisepass und kein Visum.
Sicherheit: Individuelle Rundreisen mit dem Mietwagen sind in Namibia problemlos möglich.
Hamakari: Die Gäste und Jagdfarm hat mehrere Doppelzimmer. Preisauskunft und Buchungen unter folgenden Kontakten: Tel. 00264/67/30 66 33, E-Mail: Enquiry@Hamakari.com
Internet: www.hamakari.com
Veröffentlicht im „Mannheimer Morgen“, 7. Mai 2011