Uganda. Die Mikrokredite der „Freunde Ugandas“ haben in den letzten 20 Jahren mehr als 20.000 ugandischen Frauen den Weg in die Selbstständigkeit geebnet. Das weibliche Unternehmertum verändert dabei auch die Gesellschaftsstrukturen.
Vor dem schmutzig grauen Flachdachbau rattert der Dieselgenerator. Drinnen dröhnen afrikanische Popsongs aus der Stereoanlage neben dem Spiegel. Darüber hängen Plakate mit Musterfrisuren und Kunsthaarteilen. Ein Regal ist vollgestopft mit Gel, Haarwachs und Shampoo. Von draußen blicken Kinder in zerrissenen T-Shirts schüchtern in den Friseursalon. Immer wenn Gertrud Kiwersi ihren Generator startet, ist sie die Attraktion im Dorf, denn die Masten der staatlichen Stromgesellschaft haben es noch nicht bis in das kleine Dorf Migamba, das im dichten Busch ziemlich genau auf dem Äquator liegt, geschafft. Hinter den grünen Hügeln am Horizont liegt Kampala. Die Hauptstadt Ugandas ist nur knapp eine halbe Autostunde entfernt.
Gertrud Kiwersis Geschichte ist eine ungewöhnliche Geschichte für das von Bürgerkriegen und Diktaturen gebeutelte Land – denn es ist eine Erfolgsgeschichte. Bis vor zehn Jahren war die Familie mittellos. Gertruds Mann hat Frau und vier Kinder mit Gelegenheitsjobs mehr schlecht als recht über Wasser gehalten. Heute versorgt Gertrud ihre Familie. „Meinem Mann hat es nicht gepasst, dass ich ein eigenes Geschäft gestartet habe“, erzählt Gertrud. „Er hat sich geweigert mir zu helfen, denn als Frau habe ich mich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern“, sagt die 40- Jährige. Mittlerweile lebt die Familie gut von dem Ertrag des Salons. Von ihrer Lehmhütte sind die Kiwersis vor zwei Jahren in ein kleines Haus mit Wellblechdach und Steinfundament gezogen. Das Schulgeld für die Kinder ist gesichert und Hunger kennt die Familie auch nicht mehr.
„Gertrud ist das beste Beispiel dafür, dass Entwicklungshilfe keine reine Alimentation sein darf“, sagt Ilse Schummer, die Vorsitzende des Hilfsvereins „Freunde Ugandas“. Seit 20 Jahren ist die Ladenburgerin mit ihrer Organisation in dem ostafrikanischen Land aktiv. Wichtig war ihr dabei immer das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. „Die Menschen sollen durch unsere Unterstützung trainiert werden, ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen“, erklärt Schummer. Die Gelder aus Deutschland versteht die 66-Jährige dabei nur als Initialzündung. Einmal im Jahr ist die ehemalige Lehrerin in Uganda. Dann besucht sie „ihre“ Frauen, hört sich Erfolgsgeschichten an und bewilligt neue Darlehn.
In Bunjako einem kleinen Dorf am Victoriasee warten dutzende Frauen im Schatten alter Mangobäume auf Ilse Schummer. Für den Gast aus Deutschland haben sie ihre bunten Festtagsgewänder angezogen. Mit vergrößerten Geldscheinen, versucht Schummer den Frauen das Prinzip ihrer „rollierenden“ Darlehen klar zu machen. „Das Geld wird nicht an Einzelpersonen ausgegeben, sondern an die Gruppe.“ Und: „Ihr müsst das Geld immer zirkulieren lassen, nur so können alle beständig profitieren“, erklärt sie. Viele, die sich heute am Ufer des Sees versammelt haben, sind bereits Kleinunternehmerinnen, andere fangen gerade erst an. Eins verbindet sie aber: Die Frauen, die hier sitzen, haben kein Eigentum und sind damit für Banken, aber auch für viele Hilfsorganisationen nicht kreditwürdig. „Im Gegensatz zu anderen Organisationen verlangen wir keine Sicherheiten“, sagt Ilse Schummer. Einzige Bedingung ist, dass die Frauen in einer Gruppe dauerhaft organisiert sind.
Auch Gertrud Kiwersi hat so angefangen. Vor zehn Jahren ist sie der „New Moon Womens Group“ in ihrem Dorf beigetreten. Im Jahr 2000 haben die zehn Frauen ihr erstes Darlehen – 225 Euro – bekommen, ein Jahr später ein weiteres. „Wir haben drei Kühe von dem Geld gekauft“, erzählt Gertrud. Eine davon hat sie gegen den Widerstand ihres Mannes selber beherbergt und versorgt. Durch den Verkauf der Milch hat die Gruppe ihr Kapital vermehrt. Nach einem Jahr gemeinsamer Arbeit hat sich Gertrud schließlich 60.000 Schilling, umgerechnet knapp 30 Euro, von der Gruppe geliehen und den Traum vom eigenen Friseursalon verwirklicht. Ein Jahr später hat sie sich weitere 110.000 Schilling von der Gruppe geliehen und in den Salon investiert, Pflegeartikel gekauft und den Stromgenerator angeschafft. Heute hat sie das Geld schon lange in den „Gemeinschaftstopf“ zurückgezahlt.
Der bietet es auch Gertrud Sicherheit für schlechte Zeiten, denn zurückzahlen mussten die Mitglieder „New Moon Womens Group“ die beiden Darlehen nicht. Damit unterscheidet sich das System des Hilfsvereins von den klassischen Mikrofinanz- Angeboten anderer Entwicklungshilfeorganisationen. „Mit diesem Konzept schaffen wir Nachhaltigkeit und wecken unternehmerisches Denken“, erklärt Ilse Schummer.
Über Investitionen und die Vergabe von Krediten an einzelne Gruppenmitglieder entscheidet die ganze Gruppe nach dem Einstimmigkeitsprinzip. „So haben wir ein System der Eigenkontrolle geschaffen, das Misswirtschaft entlarvt und das Verantwortungs- und Selbstbewusstsein der Frauen stärkt“, sagt Schummer. Davon ist auch Gertrud überzeugt. „Uns wird es nie mehr so schlecht gehen wie früher, denn unser gesamtes Denken hat sich verändert“, sagt sie. Das ist auch bei ihrem Mann angekommen. Er hat den Widerstand gegen den Salon seiner Frau schon lange aufgegeben. Im Gegenteil: Heute kümmert er sich um Haus und Hof – klassische „Frauenarbeit“, für die er vor zehn Jahren noch keinen Finger gekrümmt hätte.
Ilse Schummer und der Hilfsverein „Freunde Ugandas“
Vor 20 Jahren hat Ilse Schummer den Hilfsverein „Freunde Ugandas“ gegründet. „Auslöser war ein Film über die Schreckensherrschaft Idi Amins. Als ich die Bilder von Frauen in ihren zerstörten Häusern gesehen habe, wollte ich helfen“, erklärt die Ladenburgerin. Was Anfang der 90er Jahre klein anfing, ist zur größten privaten Nichtregierungsorganisation, die in Uganda tätig ist, geworden. Der Schwerpunkt liegt in der Unterstützung von Frauengruppen mit Mikrokrediten. Der Verein orientiert sich dabei an dem Prinzip von Mohammed Yunus, hat es aber für afrikanische Verhältnisse weiterentwickelt. Daneben werden auch Schulprojekte gefördert. „Unser Ziel ist die nachhaltige Entwicklung der Familien durch die Schaffung von Einkommen“, so Schummer. Neben Spenden, wird der Verein auch vom Entwicklungshilfeministerium mit 120.000 Euro jährlich unterstützt.
Mehr Infos zu Freunde Ugandas unter www.freundeugandas.de
Veröffentlicht im „Mannheimer Morgen“, 10. Juli 2010