„Wir versuchen zu zeigen, wie wichtig Schulbildung für Kinder ist“

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Christina Zetlmeisl liebt ihren Job in Uganda. (Foto: Zetlmeisl)

Uganda. Christina Zetlmeisl organisiert in Norduganda Schulunterricht für Flüchtlingskinder aus dem Südsudan. In dieser aufreibenden Arbeit findet die Oberpfälzerin eine innere Ruhe, die sie in Deutschland zuvor 20 Jahre gesucht hat.

„Es war die beste Zeit meines Lebens und hat den Wunsch in mir reifen lassen, einmal länger in so einem Land zu leben und zu arbeiten“, sagt Christina Zetlmeisl über ihren Aufenthalt in Kenia. Damals, im Jahr 2002, war sie vier Wochen mit dem Internationalen Kolpingwerk in dem ostafrikanischen Land. Es waren nur vier Wochen, aber sie haben Christina Zetlmeisl nachhaltig geprägt und ihrem Leben letztendlich eine neue Wendung gegeben. „Mit ganz wenig kann man sehr glücklich und zufrieden sein. Das habe ich in Kenia gelernt“, sagt Zetlmeisl. 14 Jahre später, im Jahr 2016, war ihr Frust über das Getrieben sein und das Streben nach Materiellem in Deutschland so groß, dass die Frau aus der Oberpfalz ihr Leben komplett geändert hat.

Heute lebt Christina Zetlmeisl in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. „Das Leben hier bietet mir eine ganz andere Sicht auf die Dinge und auf die Welt“, sagt Zetlmeisl und lächelt zufrieden. Von ihrem Büro in Kampala aus betreut die 38-Jährige als Programmes Officer beim Jesuiten Flüchtlingsdienst (Jesuit Refugee Service) seit April 2017 Menschen, die aus dem Südsudan ins ugandische Adjumani geflohen sind.

Der nach der gleichnamigen Stadt in Norduganda benannte Distrikt grenzt direkt an den erst 2011 als unabhängiger Staat entstandenen Südsudan. In dem bitterarmen Land tobt seit Dezember 2013 ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den verfeindeten Stämmen der Dinka und Nuer. Mittlerweile hat sich der Konflikt am Südrand der Sahelzone zu der weltweit größten humanitären Krise entwickelt. Eine seit mehreren Jahren anhaltende Dürre hat den Konflikt im jüngsten Staat Afrikas zusätzlich noch verschärft.

Mehr als drei Millionen Menschen leben als intern Vertriebene im Südsudan oder sind in angrenzende Staaten wie Uganda geflohen. Schätzungsweise rund 1,3 Millionen Flüchtlinge aus dem Südsudan leben mittlerweile in dem ostafrikanischen Land. Mehr als 400.000 davon haben im Grenzdistrikt Adjumani, in dem auch rund 200.000 Ugander zuhause sind, eine Bleibe gefunden.

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Ugandische Kinder und Flüchtlinge aus dem Südsudan lernen in Adjumani zusammen. (Foto: Jesuite Refugee Service)

Für diese Menschen macht Christina Zetlmeisl ihren Job als Programmes Officer und organisiert unter anderem Schulunterricht für Flüchtlingskinder. Und dabei fehlt es an allen Ecken und Enden, denn die meisten Schulen sind hoffnungslos überfüllt und die Gebäude baufällig. „Acht Schüler müssen sich einen Schreibtisch teilen, für jeweils sechs Schüler gibt es ein Lehrbuch“, beschreibt Christina Zetlmeisl die Situation. Außerdem fehlen Lehrer. „Oft kommen 100 Schülerinnen und Schüler auf eine Lehrkraft“, so Zetlmeisl.

Neben der praktischen Organisation des Schulbetriebs leistet die 38-Jährige vor Ort auch Bewusstseinsarbeit. „Wir versuchen den Menschen zu zeigen, wie wichtig Schulbildung für ihre Kinder ist“, sagt Zetlmeisl. Vor allem für Mädchen sei dies ein großes Thema. „Viele Mädchen werden jung verheiratet, früh schwanger und kommen auf diese Weise nie in den Genuss einer Schulbildung“, sagt die ausgebildete Hotelfachfrau und studierte Musikpädagogin.

Mit dem „Secondary Education Programme“, an dem sich die Diözese Rottenburg-Stuttgart 2018 mit 100.000 Euro beteiligt, werden aktuell 344 Schülerinnen und Schüler aus dem Südsudan und Uganda bei ihrer Sekundarschulbildung mit Stipendien unterstützt. „70 Prozent der Schüler sind Flüchtling, 30 Prozent Einheimische“, sagt Zetlmeisl. Mit der Vorgabe der ugandischen Regierung würden Einheimische, die Flüchtlinge aufnehmen, unterstützt. Diese Maßnahme des Staates sollen Spannungen abbauen und Konflikte zwischen Flüchtlingen und Einheimischen vorbeugen. Und bislang funktioniert diese Strategie sehr gut.

Insgesamt fünf Schulen im Adjumani-Distrikt nehmen an dem Projekt teil. Gezahlt werden mit den Hilfsgeldern aus der Diözese unter anderem Schulgebühren, Schuluniformen und Internatskosten, die Weiterbildung und Schulung der Lehrer sowie das Unterrichtsmaterial der Kinder.

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Mädchen dürfen oft nicht zur Schule gehen. (Foto: Jesuite Refugee Service)

Doch nicht nur Schulunterricht wird im „Secondary Education Programme“ gefördert, auch die außerschulischen Aktivitäten spielen eine wichtige Integrations-Rolle in dem Projekt. „Wir haben Sport-Programme aufgelegt, es gibt Musik- und Tanzclubs sowie eine Theater-AG und verschiedene Filmvorführungen“, sagt Christina Zetlmeisl. Aktuell plant die Entwicklungshelferin aus Bayern die Einrichtung von „Peace-Clubs“ in den Schulen. „Viele Flüchtlingskinder sind traumatisiert aus ihren Heimatländern nach Uganda gekommen. Doch die Lehrer hier sind nicht dazu ausgebildet, um mit diesen Problemen umgehen zu können“, sagt Christina Zetlmeisl. Hinzu kommen die sprachlichen – im Südsudan wird arabisch gesprochen, in Uganda ist Englisch die Amtssprache –  und kulturellen Unterschiede zwischen den Flüchtlingen und den ugandischen Schülern. Dies sorgt nicht nur für Misstrauen, sondern birgt auch Konfliktpotenzial. Daneben ist der stark schwankende Altersdurchschnitt in den Klassenzimmern von Adjumani problematisch. „Das Alter der von uns unterstützten Schülerinnen und Schüler liegt zwischen 13 und 25 Jahren“, sagt Zetlmeisl. Viele Kinder mussten ihre Ausbildung wegen des Krieges und der Flucht unterbrechen. „Diese Kinder können nicht einfach dort weitermachen, wo sie aufgehört haben“, sagt die Entwicklungshelferin.

Wenn Christina Zetlmeisl von ihrer Arbeit in Adjumani erzählt, leuchten die Augen der 38-Jährigen. Mit einem Lächeln im Gesicht schwärmt sie von Jungen und Mädchen, die motiviert am Unterricht und den Arbeitsgemeinschaften teilnehmen und so wieder langsam zurück in ein „normales“ Leben finden. „Die Arbeit, die ich in Uganda mache, gibt mir eine innere Ruhe, die ich in Deutschland 20 Jahre gesucht habe“, sagt Zetlmeisl. Deswegen kommt ihre Antwort auf die Frage, ob sie etwas aus Deutschland in Uganda vermisst, ohne zu zögern. „Nein, nichts.“ Dann überlegt sie und schiebt mit einem Augenzwinkern nach: “manchmal vielleicht einen frischen Salat“. Trotzdem: eine Rückkehr nach Deutschland kommt für sie nicht in Frage. „Ich habe bis 2020 unterschrieben“, sagt Christina Zetlmeisl und strahlt über das ganze Gesicht. Und was kommt danach? Sie weiß es noch nicht, aber der Kongo und Ruanda würden die 38-Jährige auch noch reizen.

In ihrem Blog „Oh, wie schön ist Uganda“ berichtet Christina Zetlmeisl regelmäßig über ihre Arbeit: Hier geht es zum Blog

Veröffentlicht in „Der geteilte Mantel. Das Magazin der Weltkirchlichen Arbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart“

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