„Wilderei ist in Afrika außer Kontrolle geraten“

OLYMPUS DIGITAL CAMERADie Wilderei von Nashörnern und Elefanten in Afrika hat dramatische Ausmaße angenommen. Dies zeigt eine Studie der Vereinten Nationen. Ein Grund ist, dass Rebellengruppen am illegalen Handel mitverdienen.

Tansanias Tourismusminister hat unlängst die Todesstrafe für Elefanten-Wilderer in den Nationalparks gefordert. Es ist nicht schwer zu verstehen, warum. Minister Khamis Kagasheki schätzt, dass täglich in Afrika 30 bis 70 Elefanten wegen ihres Elfenbeins getötet werden. In ganz Afrika werden demnach jedes Jahr rund 25 000 Elefanten allein wegen ihrer Stoßzähne massakriert. Zwischen 2002 und 2011 ist der Elefantenbestand um 62 Prozent gesunken. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) und von Interpol zur Umweltkriminalität in Afrika.

Bei den Nashorn-Beständen sind die Zahlen vergleichbar alarmierend: Waren im Jahr 2008 in der Republik Südafrika noch 13 Nashörner Wilderern zum Opfer gefallen, schnellte ihre Zahl 2011 schon auf 448 hoch. Und im Jahr 2012 wurden bereits 668 Tiere getötet. Insgesamt wurden in Afrika im vergangenen Jahr weit mehr als 1000 Nashörner gewildert, schätzt die Internationale Naturschutzorganisation IUCN. Warum hat die Jagd nach dem „weißen Gold“ in den vergangenen Jahren so zugenommen? Ein Grund ist der wirtschaftliche Aufschwung in China und anderen asiatischen Ländern. Dort gelten Schmuck und Kunstwerke aus Elfenbein als Statussymbol, während Pulver aus dem Horn der Nashörner in der Traditionellen Chinesischen Medizin heilende Wirkung zugeschrieben wird. Bis vor ein paar Jahren beschränkte sich der Glaube an eine Heilwirkung der Nashorn-Hörner noch auf die Senkung von Fieber und Bluthochdruck. Außerdem soll das Pulver gegen Epilepsie, Malaria, Abszesse und Vergiftungen helfen und zusätzlich noch die Potenz fördern. Klinisch belegt ist dies jedoch nicht, denn das Horn besteht nur aus Keratin, so wie Haare oder Fingernägel eines Menschen. Doch dann kam vor rund zehn Jahren das Gerücht auf, ein vietnamesischer Minister sei durch eine Nashorn-Horn-Arznei von Krebs geheilt worden.

db cow moesameroep1 17 05 10[1]Danach explodierte die Nachfrage. Seitdem ist das Horn der Dickhäuter in Asien mehr wert als Gold oder Kokain. Auf dem Schwarzmarkt bringt das Horn eines ausgewachsenen Nashorns bis zu 350.000 Euro. Das Pulver wird zu Kilopreisen von bis zu 60.000 US-Dollar verkauft – Tendenz steigend. Aus diesem Grund sind sogar auch deutsche Museen im Visier der Nashorn-Mafia. So wurden im August 2011 aus einer Vitrine im Museumssaal des ehemaligen Zoologischen Instituts im Heidelberger Neuenheimer Feld zwei 30 bis 35 Zentimeter lange Nashorn-Hörner gestohlen. Den Schwarzmarkt- Wert der Exponate schätzte die Heidelberger Kriminalpolizei auf rund 50.000 Euro. Dabei ist der Heidelberger Diebstahl kein Einzelfall: Der Allwetterzoo in Münster, das Naturkundemuseum in Bamberg, das Zoologische Museum der Universität  Hamburg, das Offenburger Stadtmuseum und andere Einrichtungen in Deutschland sowie den europäischen Nachbarländern sind bislang Opfer der Diebe geworden. Nach Einschätzung von Experten des World Wildlife Fund (WWF) beherrschen mittlerweile Syndikate der organisierten Kriminalität den Markt. „Dies sind dieselben kriminellen Personengruppen, die ihr Geld auch mit Drogenschmuggel oder Menschenhandel verdienen“, sagt WWF-Mitarbeiter Volker Homes.

Die Übernahme des Marktes durch die global agierenden kriminellen Netzwerke erklärt auch, warum Wilderei in Afrika professioneller geworden ist. Schon lange stammen die Wilderer nicht mehr aus den Dörfern der Umgebung und ziehen auf eigene Rechnung los. Einheimische werden zumeist nur noch als Fährtenleser und Tippgeber eingesetzt. Den Rest besorgen professionelle Kommandos, die nicht selten vom Helikopter aus operieren und mit Nachtsichtgeräten sowie modernster Funk- und Waffentechnik ausgerüstet sind.

Und noch eine beunruhigende Entwicklung haben Uno-Experten in ihrem Bericht dokumentiert: Rebellengruppen und Terror-Organisationen wie die somalische Al-Shabaab-Miliz oder die Lord’s Resistance Army (LRA) in Uganda finanzieren ihre Kriege und Anschläge immer öfter mit dem Verkauf von Elfenbein und Nashorn-Hörnern. So soll der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesuchte LRA-Chef Joseph Kony seine Miliz vor allem durch Wilderei in der Zentralafrikanischen Republik und im Kongo finanzieren. Im Tausch für erbeutete Elefanten-Stoßzähne und Nashorn- Hörner bekommen Kony und seine Männer Waffen, Munition und Medikamente.

Durch das einträgliche Geschäft mit Wilderei könnten die Terror-Banden und islamistischen Milizen sogar noch ihre Gewaltherrschaft ausbauen, warnen die Uno-Experten. Betroffen sind vor allem die Demokratische Republik Kongo, in der der Garamba Nationalpark regelmäßig angegriffen wird, sowie die Zentralafrikanische Republik, der Sudan, Niger und Tschad.

Bisher stehen den Rebellengruppen und hochprofessionalisierten Wilderern vielerorts oft nur schlecht ausgerüstete Park Ranger gegenüber, die für die Kontrolle der riesigen Gebiete meist hoffnungslos unterbesetzt sind. Nur langsam setzt in den betroffenen Ländern ein Umdenken ein. So hilft jetzt im kongolesischen Virunga Nationalpark im Grenzgebiet zu Ruanda und Uganda eine Hundestaffel, Wilderer und ihre Beute aufzuspüren. Die sieben Springer- Spaniels sind extra für die Suche nach Elfenbein und Waffen abgerichtet. „Zweimal hatten die Hunde schon Erfolg und haben Wilderer aufgespürt“, erklärt Ranger und Hundeführer Christian Shamavu.

DSC_0037Bereits seit Jahren intensiv im Schutz von Nashörnern tätig ist Namibia, das dank seines „Rhino Custodianship“-Programms von Wilderei weitestgehend verschont geblieben ist. Die Regierung gibt dabei seit 1993 unter strengen Auflagen Nashörner zur treuhänderischen Verwaltung an private Hände ab. Neben der gesicherten Wasserversorgung, der wildsicheren Einzäunung des Geländes und einer wissenschaftlichen Begleitung vor Ort ist eine minimale Größe von 10.000 Hektar Voraussetzung für die Teilnahme an dem Nashorn-Schutzprogramm. „Ziel des Konzeptes ist es, den Schutz und den Aufbau des Nashornbestands auf viele Schultern zu verteilen und gleichzeitig das Verbreitungsgebiet der Tiere auszudehnen. Außerdem wird auf diese Weise die Sicherheit der Tiere erhöht werden“, sagt Karl-Heinz Busch. Der Berliner Unternehmer hat sich seit fast 20 Jahren den Nashorn-Schutz in Namibia auf die Fahnen geschrieben. Mit seiner ERCA-Foundation hat er rund 55.000 Hektar ehemaliges Farmland erworben und renaturiert, mit dem er am „Rhino-Custodianship“-Programm der namibischen Regierung teilnimmt.

Und der Erfolg kann sich sehen lassen: „Dank des Programms konnten Spitzmaulnashörner in den vergangenen Jahren auf 20 Wildfarmen und in neun kommunalen Hegegebieten ausgesetzt werden“, sagt Namibias Umweltministerin Netumbo Nandi-Ndaitwah bei der Vorstellung einer eigens eingerichteten SMS Hotline für die Anzeige von Wilderei. Das war 2011. Seitdem hat sich die Situation im Land verschlechtert. Bereits mehrere Nashörner – zumeist aus privaten Hegegebieten – sind in diesem Jahr in Namibia Wilderern zum Opfer gefallen.

Als Reaktion darauf haben sich im Juni Namibias private Nashorn-Besitzer und Wildfarmer, die Paten für Schwarze Nashörner des Staates sind, im Verband HoRN.nam zusammengeschlossen, um so die Sicherheit der Dickhäuter in den verschiedenen Hegegebieten besser koordinieren zu können. Bei der Gründungsversammlung in Okahandja dabei war auch Brian Harris von Conservation Outcomes, einem Unternehmen, das Anti-Wilderer-Einheiten in Afrika ausbildet. „Bereitet euch auf eine Kriegssituation vor“, empfahl der Spezialist den namibischen Farmern. Der ehemalige Naturschutzbeamte des südafrikanischen Krüger-Nationalparks weiß, wovon er spricht. Allein 452 Nashörner sind in Südafrika in diesem Jahr schon gewildert worden. Und dies ist erst der Stand von Anfang Juni.

Aus diesem Grund hat der Krüger-Nationalpark jetzt einen radikalen Plan gefasst: Rund 500 Nashörner sollen an geheime Orte umgesiedelt werden, um sie so besser vor Wilderern zu schützen. Trotzdem zeichnet Brian Harris auf der Versammlung in Okahandja ein düsteres Bild. „Das Wildern von Elefanten und Nashörnern ist in Afrika außer Kontrolle geraten“, sagt der Experte, der aktuell Anti-Wilderer-Einheiten in Ostafrika ausbildet. Auslöser dafür sind seiner Ansicht nach die drastisch gestiegenen Schwarzmarktpreise, die trotz des Risikos für die Wilderer die illegale Jagd zu einem einträglichen Geschäft machen. Rund 200 US-Dollar zahlen Mittelsmänner für ein Kilogramm Elfenbein. „Bei einem mittelgroßen Elefanten sind das 15 Jahresgehälter.“ Deswegen ist sich Harris sicher: „Wenn es so weitergeht, gibt es in sieben bis zehn Jahren keine frei lebenden Elefanten und Nashörner mehr in Afrika“.

Veröffentlicht in „Mannheimer Morgen“, 27. September 2014

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